Eros ist ein griechischer Gott – der Gott der Liebe, der bei den Römern Amor hieß. Eros ist Sohn von Aphrodite, der Göttin der Schönheit und Liebe, sowie Ares, dem griechischen Kriegsgott; Pfeil und Bogen liegen ihm somit im Blut.
In der griechischen Sprache bedeutet Erotik heute hingebungsvolle Liebe. Im Deutschen wie auch im Französischen ist diese Definition nicht zutreffend. Hier kann Erotik zwar auch mit Liebe zu tun haben, hat aber auf jeden Fall einen körperlichen Aspekt, eine Verbindung hin zum Sexuellen, aber auch eine intellektuelle Komponente – Erotik ist etwas für Kenner, Leser, Liebhaber, wissender Sex sozusagen, im Gegensatz zu Sex, welcher als Hauptwort die rein körperliche Begegnung von mindestens zwei Menschen beschreibt. Da in der englischen Sprache „sex“ das Geschlecht bezeichnet, es durch diese Doppeldeutigkeit für die sexuelle Betätigung nicht so uneingeschränkt brauchbar ist, benötigt die englische Sprache das Wort Erotik auch für Bereiche, die z.B. in der deutschen Sprache eher der Pornographie zuzurechnen sind bzw. mit dem Wort „Sex“ abgedeckt werden können. Das Wort Erotik hat also im englischen Sprachbereich immer auch eine anrüchige Komponente, im deutsch/französischen eher eine intellektuelle.
Erotik drückt sich im Körper aus. Ich übersetzte es in Marokko, Kenia und dem Regenwald Brasiliens, wo das Wort Erotik aufgrund der Kulturtradition nicht bekannt ist, mit dem Gefühl, was sich einstellt, wenn man in die Welt der Erwachsenen eintritt. Zur Auslösung dieses Körpergefühls bedarf es eines Reizes. Der Reiz muß groß genug sein, also eine bestimmte Schwelle überschreiten, um die erotische Reaktion zu bewirken, die man mit vermehrter Energie- und/oder auch Blutzufuhr in bestimmte Körperregionen bemerken kann. Sehr oft ist es ein visueller Reiz – vermehrt in der immer visueller werdenden Welt mit Fernseher, Computer, Video, Kino – z.B. der Anblick einer attraktiven Person oder bestimmter Körperregionen derselben. Die erotische Reaktion kann auch auf Musik, Berührung, Geruch, Erinnerung, Stimmen u.a. erfolgen.
Für die Person, die den Reiz und die Reaktion darauf erlebt, stellt sich unmittelbar damit verbunden die Frage, wie sie oder er darauf reagiert. Wird akzeptiert und das Gefühl weiterverfolgt oder wird unterdrückt? Die Entscheidung hierüber hat mit Herrschaft zu tun, mit der Herrschaft der Person selbst über ihren bzw. seinen Körper wie auch mit der Herrschaft von anderen, z.B. des Ehepartners oder der Gesellschaft, darüber. Seit Jahrtausenden ist die Herrschaft der Frau, ihren Körper betreffend, zunehmend von der Frage sexueller Enthaltsamkeit dominiert worden, während die Herrschaft des Mannes über den Körper unendlich viele Facetten aufweist, da der Mann generell die Herrschaft verkörperte – nicht jeder Mann, aber jeder Mann doch viel mehr als die meisten Frauen – sei es im Sport, im Kampf, in der Jagd, im Handwerk, im Denksport – viele Männer üben die Beherrschung ihres Körpers täglich.
Im Matriarchat wurde die Frau als Quelle der Fruchtbarkeit und des Lebens verehrt und geachtet. Die Familie zentrierte sich um die Mutter. Erst als Privateigentum in Abgrenzung zu gemeinsamem Eigentum und auch dem Eigentum anderer wichtig wurde, spätestens also mit der systematischen Viehhaltung, die im Raume des heutigen Mittleren Ostens besonders früh begann, wurde die Frage wichtig, von welchem Vater das Kind stammte, denn es ging um das Erbe. Der Besitz sollte an das leibliche Kind übergehen, und der Besitz war, was das Vieh und das Weideland betraf, dem Mann zugeordnet.
So wie Weideland und Vieh als Teil der Natur zum Privateigentum wurde, wurde es auch der Körper – zunächst der Körper der Frau. Der Mann wollte sicher sein, dass sie nur seine Kinder empfangen und gebären würde. Nun ist unser Körper für uns selbst das ursprünglichste Stück Natur, was wir kennen, denn der Körper ist reine Natur. Verändert sich unser Verhältnis zu unserem Körper, verändert sich auch unser Verhältnis zur Natur. In dem Moment, wo die Frau und damit ihr Körper zu Privatbesitz wurde, wurde sie zum Objekt. Im Prozeß der Beherrschung der Natur wurde die Frau genauso Objekt wie die Erde, die Bäume, die Berge und die Tiere. Mit ihr wurden zunehmend andere versklavt, die so gezwungen wurden, unliebsame Arbeiten zu verrichten. Sklaverei und Leibeigenschaft wurden gängig und damit auch Krieg.
Wenn wir an die Vertreibung aus dem Paradies denken, wie sie in der Bibel beschrieben wird, erinnern wir uns an den Baum der Erkenntnis. Wissen macht den Menschen Gott gleich, was von Gott bestraft wird. Der Mann soll im Schweiße seines Angesichts arbeiten und die Frau unter Schmerzen gebären. Als die weißen Siedler in Nordamerika sahen, dass bei den Ureinwohnern dort die Frauen die Feldarbeit verrichteten und dabei glücklich waren, erschien ihnen das so unerträglich, dass nur die Auslöschung dieser Kultur für sie eine Lösung ergab. Es geht jedoch nicht nur um die Erkenntnis, die die Vertreibung aus dem Paradies bewirkte, es geht um das Verhältnis zur Natur. Während in paradiesischer Zeit die Harmonie mit der Natur dazu führte, die Kräfte der Natur für Heilung und Problemlösung nutzbar zu machen, wurde in dem Prozeß der Ausbeutung der Natur die Naturheilkunde zur Wissenschaft, und Wissenschaft ist Herrschaft. Die Frauen und die Schamanen wurden in die Wissenschaft gar nicht erst eingelassen und ihr Jahrtausende altes Wissen wurde verbannt und verbrannt.
Erst die Demokratie, die Durchsetzung der Rechte der Mehrheit gegen die Beherrschung durch eine Minderheit, machte der Willkür der Ausbeutung ein grundsätzliches Ende. Der Prozeß der Demokratisierung der Welt ist noch nicht beendet und es gibt noch enorme Kräfte, die ihre Privilegien nicht kampflos aufgeben wollen. Die Demokratie hat jedoch mit ihrer Rechtsstaatlichkeit ein System ins Leben gerufen, das es ermöglicht, friedlich miteinander zu leben – und das bietet die Chance, dass mehrheitliche Vernunft den egoistischen Kräften ihre Schranken zuweist. So bot und bietet die Demokratie den Frauen die Chance, am gemeinschaftlichen Leben gleichberechtigt teilzuhaben. Erst die Anti-Baby-Pille und die legale Abtreibung jedoch brachte für die Frauen die unbeschränkte Freiheit. Demokratie bietet Frauen die Chance auf Respekt. Sie kann sich vor Ausbeutung und Gewalt eher schützen, und der Staat hilft ihr dabei. Sie kann für sich und möglicherweise auch für ihre Kinder den Lebensunterhalt selbst verdienen und sich somit aus ungewollter Abhängigkeit lösen. Sie wird vom Objekt zum Subjekt, von der Abhängigen zur Handelnden.
Mit dem vermehrten Eintritt der Frau in das Erwerbsleben tritt sie in den Wettbewerb mit dem Mann. Sie kann nicht erwarten, dort mit offenen Armen enpfangen zu werden. Sie nimmt dem einen Teil der Menschheit, der seit Jahrtausenden seine Privilegien gesichert hat, was zu seiner Natur wurde, etwas weg. Sie verfügt zunächst auch noch nicht über Macht und Einfluss an den Orten, wo Entscheidungen getroffen werden, sei es in Berufungsgremien, sei es in den Medien oder den Politik- und Staatsorganen. Im Prozess der Aneignung von Macht in der Demokratie ist deshalb Solidarität der Frauen untereinander wie auch von Teilen der Männer, die sich zur vermehrten Einflussnahme der Frauen bekennen, hilfreich.
Mit dem Privateigentum wurde die Ausbeutung der Natur zum Prinzip. Parallel zu diesem Prozess entwickelte sich die Ausprägung von Stereotypen, die damit in Verbindung stehen: was verbinden wir mit einer Frau, wenn wir sie sehen oder von ihr hören, was mit einem Mann, Prozesse, die ohne unser Zutun ablaufen, weil sie über lange Zeiten tradiert sind. Wir reagieren, wenn wir uns von Stereotypen leiten lassen, also nicht auf die konkrete Person, sondern auf die Vorstellung dessen, was sie gemäß der Stereotype repräsentiert und lassen uns dominant davon leiten. Mit dem Eintritt der Frau in die Domänen der Männer funktionieren diese Stereotypen teilweise nicht mehr, werden zur Last und zum Hindernis. Dies bietet allen neue Möglichkeiten. Vermehrter Respekt vor der Wirklichkeit schafft auch die Chance von vermehrtem Respekt vor der Natur. Interesse an allen Aspekten von Wirklichkeit bringt Frauen die Chance, ihr Wissen von Wirklichkeit, ihre Erfahrungen einzubringen und mit herrschen zu lassen. Ganzheitlichkeit kann vermehrt an die Stelle von Ausbeutung treten, weil es notwendig wird und weil Mehrheiten dafür gefunden werden. Was dabei so motivierend ist, ist die Tatsache, dass jede/r einzelne von uns hierzu einen Beitrag zu leisten vermag. Alle sind wichtig.
Geschrieben von Marion Schneider
Featured Image von Linda Troeller